Pumamontana // The Taste Of Capitalism [2021]

Pumamontana // The Taste Of Capitalism (EP)

VÖ: 23.08.2021
Label: tetmusik.
Release: digital


Der Geschmack von Kapitalismus

Eine EP mit einem Titel wie diesem schürt normalerweise Erwartungen auf politische Kontroversen. „The Taste Of Capitalism“ wirkt aber eher nicht wie eine Streitschrift, sondern wie ein Roman mit einer beschreibenden, verträumten Bildsprache. Das liegt auch an den autobiografischen Themen, die neben den sozialkritischen Themen ihren Platz finden.

Die Musik bleibt eng am Grundkonzept von Pumamontana: Organische Samples, Viervierteltakt, gepitchte Vocals. Das Ergebnis dieser EP ist ein sphärisches Werk mit experimentellen Einschnitten und melodiösen Passagen; das alles verpackt in gut durchdachte Mid-Tempo-Tracks.


It’s always easier to hide

Verstecken gilt nicht mehr. Wir wussten ja, wohin uns die Zukunft führt. Irgendwann waren wir an einem Punkt, an dem sich nichts mehr diskreditieren musste, sondern an dem wir es einfach so angenommen hatten, wie es war.

„Solange Geld zum zentralen Bestandteil eines Gesellschaftssystem gehört,
kann es kein gutes sein. Natürlich ist alles verdorben.“


Pumamontana widmet sich in seiner ersten EP „The Taste Of Capitalism“ der Gegenwart, dem Hier und Jetzt eines Lebens im Kapitalismus. Einem System, das nicht mehr sprintet, sondern sich nur noch watschelnd Stück für Stück nach vorn schleppt. Man könnte auch einfach sagen: Der Drive ist raus. Aber um was es Pumamontana thematisch geht, ist nicht, eine Wertung abzugeben – leben wir hierzulande schließlich alle mit und in dem System seit vielen Jahren – sondern vielmehr, zu erfahren: Was macht das System mit uns? Wie verändert es uns und unsere Kinder? Welche Ängste schürt es? Was haben wir ihm positives zu verdanken?

Es liegt nahe, dass wir einen Kulminationspunkt überschritten haben: Umweltzerstörung, Egoismus, Armut, Missgunst und Hass sind vorherrschende Themen, die sich in den Berichterstattungen weltweit herausfiltern lassen und die positiven überschatten zu scheinen. Der Einfluss unserer Art zu leben und zu wirtschaften ist dabei entlarvender denn je. Wie wollen wir damit umgehen? Wie müssen wir künftig damit umgehen? Pumamontana’s Musik könnte der Soundtrack zu all diesen aktuellen Fragen sein, um die wir langfristig gesehen nicht herumkommen.


Über die Tracks

„Present Age“ ist das Intro der EP und des darauffolgenden Tracks. Die Basedrum scheppert sich in den Vordergrund, läuft aber aus dem Taktraster. Für Pumamontana eine musikalische Metapher auf unsere Zeit, die „aus den Fugen gerät“. Ein Sprachsample von Greta Thunberg in gepitchter Stimme gibt eine richtungsweisende These für die EP vor: „If solutions within the system are so impossible to find maybe we should change the system itself“.

„Dark Matters“ erzählt von den dunklen Seiten unserer Zeit und unseres Schaffens. Wie viel Zeit bleibt uns noch zu handeln, um eine Klimakatastrophe abzuwenden? „Tick tock, tick tock, tick tock tick“ – wir lenken uns von den eigentlichen Problemen ab, während die Zeit (gegen uns) weiterläuft. Ein Versagen des Menschens? Oder typisch für unsere Zeit? Pumamontana stellt fest: Vielleicht will man die Notwendigkeit zum Handeln nicht erkennen. Aber dann ist auch alles verloren, denn diese entscheidende Sache ist nicht mehr umkehrbar.

„Lightswitches“ ist ein autobiografisches Werk über die Möglichkeiten des Lebens. Als Metapher für die Orte und Lebensereignisse benutzt Pumamontana ein Haus, in dem man sich verirren kann. Weil es zu dunkel ist und man den Lichtschalter nicht findet oder man gar nicht weiß, ob es überhaupt einen gibt. Und dann kreuzen sich die Wege mit anderen Menschen und plötzlich ist das Haus gar nicht mehr das eigene, sondern „unser Haus“. Sind wir bereit, das ganze Haus zu erkunden? Und wenn ja, mit wem?

In „Un/easy“ geht es um den Wunsch nach der zurückgewonnenen Leichtigkeit, wie wir sie aus Jugendtagen kennen. Der Alltag im Erwachsenensein lechzt nach den süßen Momenten von einst. Das Verlangen nach Ortswechseln, um der Beschwerlichkeit zu entfliehen, die man im Hier vermutet, ist groß. Doch wichtig ist nicht, wo man sich befindet, sondern was man fühlt. Holen wir uns die süßen Momente zurück, denn sie sind näher als wir glauben!

„We Are Atoms“ setzt den Menschen gleich mit den atomaren Bausteinen unserer Physik und Chemie. Es gibt keinen „guten“ oder „schlechten“ Willen von einzelnen Atomen. Sie handeln so, wie es ihre Natur erlaubt. Egoismus ist daher „nur“ eine Erfindung des Menschen und keine schlechte Charaktereigenschaft. Da wir freie Wesen sind, taumeln wir scheinbar ziellos durch den Raum. So, wie wir es manchmal wollen. Und so, wie wir es manchmal müssen. Es gibt kein „Anführer-Atom“, sondern Entropie unter den „Menschen-Atomen“: Jeder möchte für sich allein funktionieren, aber am Ende kann auch niemand allein bestimmen.

„The Taste Of Capitalism“ ist der Titeltrack der EP. Der Track entstand einst aus Session-Fragmenten, was seine Länge von über acht Minuten erklärt. Sie ist auch signifikant für ein monotones, nahezu endlos trottendes System, das seinen Turbo schon längst abgestellt hat. Die Absurditäten des Kapitalismus beschreibt Pumamontana in seinen Textzeilen so: Wer die Regeln bricht, wird nicht immer bestraft. Die Lüge ist genauso existent wie die Wahrheit. Wir sind Spielfiguren, ähnlich den Rollen eines Theaterspiels. Diese „Ich-Implementierung“ macht uns zu Repräsentanten eines Systems, das wir nicht immer mögen, das uns aber Erfolg und Wohlstand verspricht. Und möglicherweise mit unseren Idealen bricht: Wir schaffen unsere Feinde, weil wir sie erschaffen, nicht direkt das System. Wäre es nicht besser, wenn wir von vornherein deklarieren, dass wir eigentlich Gegner sind?

Referenzen

Alex Smoke, Boards Of Canada, Andy Stott, Telefon Tel Aviv

Links

bandcamp
soundcloud
instagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert